Abfallgebühren in Tönisvorst „Das animiert nicht zur Müllvermeidung“
<irwordspace style="word-spacing -00328125em;"><irglyphscale style="font-stretch 97%;">Tönisvorst </irglyphscale></irwordspace> · In Tönisvorst hat sich die Systematik der Müllgebühren geändert. Dazu wurde ein Infoschreiben verschickt. Das Ehepaar Struck vermeidet Müll, wo es nur geht, und ärgert sich über die neuen Sätze. Was der Abfallbetrieb dazu sagt.
Elke Struck öffnet den Deckel ihrer 120-Liter-Restmülltonne. „Zum letzten Mal wurde sie vor Weihnachten geleert“, sagt die St. Töniserin und zeigt hinein. Am Boden der Tonne liegen im Wesentlichen der Inhalt eines Staubsaugers, ein bisschen Kleinkram und ein paar nicht kompostierbare Reste der Weihnachtsdeko. Elke Struck und ihr Mann Franz-Heinrich versuchen, Müll zu vermeiden, wo es nur geht. Nur drei- bis sechsmal jährlich haben sie ihre Restmülltonne in den vergangenen Jahren zur Leerung an die Straße gestellt. Dass sie jetzt fast das Doppelte an Müllgebühren bezahlen sollen, ärgert die Rentner.
Bislang waren es rund 70 Euro jährlich für die graue und die grüne Altpapiertonne, künftig werden es laut eines Infoschreibens des Abfallbetriebs des Kreises Viersen (ABV) 123,17 Euro sein. Wobei es den beiden nicht um das Geld gehe, sondern darum, dass die neue Gebührensystematik in Tönisvorst ihrer Ansicht nach nicht dazu animiere, Müll zu vermeiden.
Hinter der Gartenhecke der Strucks befindet sich ein Komposthaufen, auf den alles kommt, was kompostierbar ist; zweimal im Jahr wird die Erde dann im Garten verteilt. „Eine Biotonne haben wir nie gehabt“, sagt Elke Struck. Dass sie die auch künftig nicht braucht, hat sie dem ABV prompt mitgeteilt. Christian Böker, Betriebsleiter des ABV, versichert allerdings, dass niemand, der bisher von der Biotonne befreit worden war, dies nun gesondert mitteilen müsse. Die Daten seien übernommen worden, der offizielle Gebührenbescheid komme erst im April – was kürzlich verschickt worden sei, sei als Information für die Bürgerinnen und Bürger gedacht. Dass die Strucks nicht noch 24 Euro zusätzlich für die Biotonne zahlen müssen, sei selbstverständlich.
Der Hintergrund: Ende 2023 hatte der Tönisvorster Stadtrat beschlossen, dass die Aufgaben im Bereich der Abfallentsorgung an den ABV übertragen werden, Anfang dieses Jahres war es nun so weit. Bisher gab es in Tönisvorst für die Haushalte eine Grundgebühr, die sich aus der Größe der grauen, braunen und grünen Abfallgefäße ergab. Hinzu kam eine Leistungsgebühr für die Anzahl der Entleerungen und das jeweils gemessene Müllvolumen.
Dieses Volumenmesssystem entfällt jetzt. Es fällt weiter eine Grundgebühr an, die aber nur noch von der Größe der grauen Restmülltonne abhängt und nicht mehr davon, wie viel Müll sich in der Tonne befindet. In dieser Grundgebühr ist eine bestimmte Anzahl an Mindestentleerungen der Restmülltonne enthalten.
Zwölf Leerungen sind es in der Regel (weitere Leerungen kosten extra), lediglich in Einfamilienhäusern lebende Einzelpersonen können auf sechs Leerungen reduzieren und müssen entsprechend weniger bezahlen. Aber die Strucks sind zu zweit, produzieren dennoch wenig Müll. „Soll ich meinen Mann jetzt ins Ausland schicken?“, fragt Elke Struck lachend.
Dass es nun keine Rolle mehr spiele, wie viel Müll man produziere, ärgert die pensionierte Bio- und Chemielehrerin. Sie habe ihren Kindern und Schülern immer umweltbewusstes Verhalten vermittelt, sagt sie. Obst und Gemüse holt sie einzeln im Laden oder auf dem Kempener Wochenmarkt, Brötchentüten verwendet sie wieder, Milch holt sie in Glasflaschen an der Milchtankstelle.
„Dieses Verhalten ist vorbildlich und freut uns ausdrücklich“, betont ABV-Betriebsleiter Böker. Leider habe das alte System, bei dem auch das Müllvolumen für die Gebühren eine Rolle gespielt hat, aber häufig dazu geführt, dass Personen den Müll aus ihrer grauen Tonne nicht vermieden, sondern sozusagen nur „verdrängt“ hätten.
Beispielsweise, indem Abfall in der (kostenfreien) gelben Tonne landete, der dort nicht hineingehörte, in öffentlichen Papierkörben entsorgt wurde – oder sogar in der Natur. Die Mehrzahl der Tönisvorster habe ihre Restmülltonnen in der Vergangenheit übrigens deutlich öfter als zwölfmal im Jahr an die Straßen gestellt, werde also durchaus für Müllvermeidung belohnt, wenn sie die Zahl der Leerungen reduzieren.
Böker erklärt, dass es sich um ein Gesamtsystem mit der entsprechenden Logistik handele, zudem gebe es einen Wertstoffhof, Schadstoffsammlungen oder Abfallberatung. „Über die Gebühr muss dieses Gesamtsystem bezahlt werden. Wenn einige das System ausnutzen, muss die große Masse deutlich mehr bezahlen“, sagt er.
Das neue System sei gerechter – gleichwohl erkennt er an, dass es Einzelfälle von Personen gebe, die vorbildlich seien und jetzt stärker belastet würden. „Das tut mir in der Seele weh. Aber wir können das System nicht auf die Einzelfälle abstellen, dafür bitte ich um Verständnis, zumal es sich hierbei oftmals nur um geringe Beträge handelt “, sagt Böker. Missverständliche Formulierungen in Antwort-Mails des ABV an Elke Struck sind sicherlich nicht gerade hilfreich. Franz-Heinrich Struck findet das ungerecht, fühlt sich „in Sippenhaft genommen“.
Man werde nun im ersten Jahr, in dem der ABV für die Müllentsorgung in Tönisvorst zuständig ist, genau beobachten, wie das System funktioniere, und gegebenenfalls anpassen, so Böker. Da die Politik die Gebührensatzung allerdings für das Jahr 2025 bereits beschlossen hat, sei eine unterjährige Anpassung rechtlich nicht möglich, sagt Böker. Eine Reduzierung des für die Bemessung der Abfallgebühr maßgebenden Restmüllvolumens von 15 Liter je Einwohner und Woche sei derzeit aber nicht angedacht.