Die Lebensretter aus Kaarst

ZivilCourage: Landrat Patt ehrte Jugendliche, die einen Mann vor dem Selbstmord bewahrt hatten.

Rhein-Kreis Neuss. Hätte Maikel Hannen-Oware (15) den Fußball am 9.Oktober 2007 nicht dermaßen daneben gehauen, wäre ein 80-jähriger Mann heute wahrscheinlich tot. Nur dem Jugendlichen und seinen Freunden Martin Sarbach (19) und den Brüdern Mario und Franco Fährmann (17 und 15) hat der Rentner sein Leben zu verdanken. Damit wollte der 80-Jährige eigentlich Schluss machen. Nach einem Ehestreit hatte er sich auf die Gleise in Holzbüttgen gelegt und auf den Zug gewartet.

"Wir haben auf dem Sportplatz Fußball gespielt", sagt Mario Fährmann und ergänzt: "Als Maikel den Ball in Richtung Schienen geschossen hat und ihn holen wollte, kam er aufgeregt wieder." "Ich glaube, da liegt etwas", hatte der Schüler seinen Freunden zugerufen. Sofort ließ das Quartett alles stehen und liegen und schaute nach.

Als die jungen Männer näher kamen, erkannten sie: Es war ein Mensch. "Ich habe gerufen: Kommen Sie da weg’", sagt Mario Fährmann. Doch das ging nicht. "Der Mann hatte sich mit Kette und Vorhängeschloss an den Gleisen festgekettet", sagt Martin Sarbach. "Sofort ist uns der Gedanke gekommen, dass wir die Bahn aufhalten müssen", erzählt Mario Fährmann. "Also bin ich mit meinem Bruder neben den Schienen in Richtung Kaarster See gelaufen, um die Bahn zu stoppen." Diese war zu dem Zeitpunkt noch zwei Fahrminuten entfernt. "Ich bin bei dem Mann geblieben und wollte die Ketten lösen", erinnert sich Sarbach, der eine Ausbildung zum Veranstaltungstechniker am Rheinischen Landestheater macht.

Ein vergeblicher Versuch. Das Unglück schien unaufhaltsam. Auch der sich nähernde nicht Zug hielt nicht an. "Als mein Bruder dem Lokführer gewinkt hatte, dachte der wohl, er will ihn veräppeln und ist weitergefahren", sagt Mario Fährmann. Derweil riss und rüttelte Sarbach an den Ketten, was das Zeug hielt. "Der Mann hat gesagt, dass ich abhauen soll, um mir das Unglück nicht ansehen zu müssen. Der wollte wirklich sterben." Doch das wollten die vier Jungs nicht geschehen lassen.

"Wo er den Schlüssel vom Vorhängeschloss versteckt hatte, wollte mir der Mann nicht sagen. Ich habe gesucht und gesucht und endlich einen ganzen Schlüsselbund unter ihm entdeckt." Dann, sagt Sarbach, war alles wie im Film. Der erste Schlüssel passte nicht. Auch beim zweiten sprang der Sperrriegel kein Stück aus der Verankerung. Immer schneller probierte er nun Schlüssel um Schlüssel. Nummer vier, Nummer fünf...Fehlanzeige. "Der sechste und letzte Schlüssel war es dann", sagt der 19-Jährige.

Inszwischen war es auch den Brüdern Fährmann gelungen, den Regionalzug anzuhalten. "Erst als ich mit einem langen Stock gewedelt habe, hat der Fahrer verstanden, dass etwas nicht stimmt", sagt Mario.

So viel Hilfsbereitschaft und Zivilcourage freut auch Dieter Patt, Leiter der Kreispolizei und Landrat des Rhein-Kreises, der dem Quartett gestern im Kreishaus seinen Dank aussprach. Zudem gab es auch ein Geschenk: handsignierte Trikots von Borussia Mönchengladbach. Patt: "Diese Jugendlichen haben einen Menschen vor einer großen Dummheit bewahrt und sind echte Vorbilder."