Erfinder des Kölsch-Rock geehrt
Wolfgang Niedecken erhält für seine Mundart-Verdienste den Friedestrompreis.
Rhein-Kreis/Dormagen. Der Kopf der Kölsch-Rockband BAP, Wolfgang Niedecken, ist auf den Bühnen der Welt zu Hause. Doch auch im Kulturzentrum des Rhein-Kreises Neuss auf Schloss Friedestrom in Zons fühlte er sich wohl, schließlich gehörte der Grund und Boden einst zu Köln.
Vor rund 150 geladenen Gästen wurde Niedecken mit dem Friedestrompreis 2008 für besondere Verdienste um die deutschsprachige Dialektliteratur ausgezeichnet. Der Liedermacher sei ein Indiz dafür, dass sich die Dialektkultur nicht nur in der Mundart oder der Buchform widerspiegele, sondern auch in der musikalischen Ausdrucksform. Gerade in unserer Region gebe es viele Bands, so Landrat Dieter Patt in seiner Festrede, mit denen sich eine bunte Palette zwischen politischem Lied und Karnevalsunterhaltung auffächere. "Wolfgang Niedecken versteht es wie kein Zweiter im Rheinland, mit seinen politischen und sozialkritischen Texten auch Jugendliche anzusprechen", so Patt.
Dabei lege der Musiker seinen Finger in viele Wunden, wenn er von Rassismus, Wettrüsten, Jugendarbeitslosigkeit, Hilfsbedürftigkeit und Armut singe. "Seine Texte erlangen schon Bedeutung, weil sie im Dialekt verfasst sind", sagte Laudator Oliver Kobold. Der Literaturwissenschaftler ist Fan seit seiner Jugendzeit und gilt als Herausgeber der BAP-Songbücher gewissermaßen auch als Chronist der Band, die vor 32 Jahren "den Kölsch-Rock erfand".
Finanziell abgebrannt und von Liebeskummer geplagt, schrieb Niedecken seine ersten Lieder. In der Sprache seines Alltags erzählen seine Songs Kurzgeschichten, Bibeltexte, politische Statements, Reiseberichte - und immer wieder kehrt der jetzt 57-Jährige zum Liebeslied zurück.
Als "Kontrastprogramm zur volkstümlichen Schmusewolle" empfindet sich die Band von Anfang an. Obwohl BAP eigentlich nie auf einer Bühne stehen wollte, hat sie "ihre Sprache" über das Rheinland hinaus populär gemacht und inzwischen sogar Konzerte in China und Afrika gegeben.
Wolfgang Niedecken formt aus dem traditionellen Kölsch eine neue Sprache und nutzt - was manchem Liebhaber des reinen Dialekts missfällt - auch Fremdeinflüsse wie Anglizismen. Oliver Kobold bezeichnet "Niedeckens BAP-Kölsch" als Sprache eines zerlumpten Napoleons und des Bahnhofskinos. Dabei stellte er ihn auf die gleiche Stufe wie den ersten Preisträger des Friedestrompreises, Hans Carl Artmann. Der Dichter galt als Pionier der Wiener Liedermacher, und so sieht Kobold Niedecken für die Kölner.
Sichtlich gerührt von der Lobrede fallen Niedecken die Dankesworte schwer. "Ich singe lieber, das kann ich besser", sagt er und unterhält seine Zuhörer mit Gitarre, Mundharmonika und Gesang. Ein Song erzählt die Situation von Kindersoldaten in Uganda, für deren Resozialisierung sich der Künstler engagiert. Dem Projekt "Rebound", das er mit World Vision gegründet hat, spendet er sein Preisgeld von 3600 Euro.