Chefin von 800 Mitarbeitern war ihrer Zeit voraus

Maria Theresia Hölssig, die ehemalige Leiterin der Fliesenfabrik Ostara, feiert heute ihren 90. Geburtstag.

Osterath. Eigentlich wollte Maria Theresia Faulhaber als Jugendliche Architektur studieren. Doch als ihr Vater Jakob, der im Westerwald Direktor eines eigenen Tonbaubetriebs war, 1933 mit seiner Frau Maria die Keramik- und Fliesenfabrik Ostara kaufte und die Familie nach Osterath umzog, kam alles ganz anders.

Die damals 15-Jährige gab dem Drängen des Vaters nach und trat in die Firma ein. Fortan lernte sie das Metier von der Pike auf und war bereit das zu erfüllen, was die Familientradition vorsah: Die Kinder sollten in die Fußstapfen des Vaters treten.

Schon kurz nach ihrer Hochzeit 1945 mit Benno Hölssig, der im kaufmännischen Bereich von Ostara arbeitete, war es soweit. Ihr Bruder Josef kehrte nach dem Krieg nicht aus Stalingrad zurück, mit nicht einmal 30 Jahren trat die junge Frau zusammen mit ihrem Ehemann die Erbfolge an.

Maria Theresia Hölssig war maßgeblich daran beteiligt, dass Ostara zur einem der führenden Unternehmen der Keramik- und Fliesenbranche wurde, das zu Spitzenzeiten 800 Beschäftigte zählte.

Heute feiert die Unternehmerin mit ihrer Tochter Jutta, ihrem Schwiegersohn, den fünf Enkelkindern und jeder Menge guter Freunde des Schützen-Grenadierzuges Buba ihren 90. Geburtstag.

Ihr Verstand ist noch immer hellwach, sie sieht bedeutend jünger aus und kann sich noch gut daran erinnern, wie das in der Nachkriegszeit so war. Denn der Name Hölssig stand nicht nur für wirtschaftlich erfolgreiches Unternehmertum, Ostara war auch in der Umsetzung fortschrittlicher Sozialleistungen vorbildlich.

Schon früh wurden eine betriebliche Invaliditäts- und Altersversorgung eingeführt, die Akkordlöhne und Leistungszuschläge erhöht, zusätzliche Urlaubstage gewährt und eine Weihnachtsgratifikation ausgezahlt. Es entstanden Werkswohnungen und eine Werkskantine, auch ein Ferienheim in Niedeggen stand den Mitarbeitern zur Verfügung.

Als Maria Hölssigs Ehemann Benno Anfang der 70er Jahre schwer erkrankte, wurde das Unternehmen an den Schweizer Konzern Lauffen verkauft. Aber ganz ohne unternehmerische Tätigkeit konnte die Osteratherin nicht leben. Sie gründete das Groß- und Einzelhandelsunternehmen Keros Fliesen, das heute noch im Familienbesitz ist.

1983 starb Benno Hölssig, weitere bittere Schicksalsschläge folgten mit dem Tod ihres Sohnes Helmut 1991 und wenig später dem Unfalltod der Schwiegertochter.

Ihre christliche Grundeinstellung habe ihr immer wieder Kraft gegeben, aber auch die Tätigkeit als Kommandeurin des Königsgrenadierzuges Buba dürfte geholfen haben. Zu dieser Ehre kam sie im Jahr 1955, als das Ehepaar Hölssig das erste Schützenfest in Osterath großzügig gefördert hatte - und sie ist bis heute die Chefin, vor allem aber die gute Seele der Truppe.