Kaarst: „Ich mag das Wort Integration nicht“

Die Autorin Renan Demirkan war in Kaarst zu Gast.

Kaarst. Die Autorin und Trägerin des Grimme-Preises, Renan Demirkan, begeisterte am Dienstagabend rund 80 Besucher in der Rathausgalerie mit ihrer Lesung. Als Siebenjährige, erzählt Demirkan, kam sie Anfang der 1960er Jahre aus der Türkei nach Deutschland.

Doch ihre Biografie "Septembertee", aus der sie beim "Dialog Zukunft" der Volkshochschule las, beschreibt nicht das klassische Leben einer Gastarbeiter-Migrantenfamilie.

Ihr Vater, ein Akademiker, entschied sich für Hannover, die der türkischen Hauptstadt Ankara am ähnlichsten gewesen sei. Statt eines Kühlschranks schaffte er sich erst einmal einen Brockhaus an. Seine Tochter lehrte er: "Kannst du Schach, kennst du das Leben".

Während der Vater sich nach Feierabend der deutschen Literatur hingeben konnte, kümmerte sich die Mutter neben ihrem Beruf als Schneiderin um Haushalt und Familie. "Das tat sie ohne Widerspruch", erinnert sich Demirkan. Sie war neugierig auf deutsche Sitten und Kochrezepte.

Ihre 2008 veröffentlichte Autobiografie "Septembertee oder Das geliehene Leben" teilt die Autorin in fünf Kapitel auf. Sie widmen sich dem Vater und der Mutter, ihrer eigenen Person und dem Thema Respekt. Zuletzt zieht sie unter dem Titel "Septembertee" ein Resümee.

Der Zuhörer bekommt ein ungewohntes Bild einer Migrantenfamilie aufgezeigt. Doch auch ihre Eltern hatten mit Problemen und Vorurteilen zu kämpfen, die bis heute nicht ausgeräumt sind. Nachbarn zweifelten, dass der Vater die auf deutschen Lexikontexte überhaupt verstehen könnte.

Die Mutter beherrschte wiederum nur die Grundkenntnisse der deutschen Sprache. Nicht, weil sie sich nicht bemühte. Es fehlte die Bildung, denn ihr wurde verboten, die Schule weiter zu besuchen.

Mit ihrem Buch greift Renan Demirkan in die laufende Integrationsdebatte ein. Für sie ist Integration der falsche Begriff, er bedeute Unterordnung. "Ich träume von einer Gesellschaft, die ein "Wir" mit orchestralem Charakter bildet, worin sich viele Spieler aufeinander abstimmen", sagt die Autorin zum Abschluss.