Kempen: WZ-Reportage - Das Pflänzlein Literatur gießen
Die Jury des 1. Kempener Literatur- Wettbewerbs entscheidet nun, welche Texte preis- und buchverdächtig sind.
Kempen. "Ich ziehe zurück, dieses Argument überzeugt mich." Beim 1. Kempener Literatur-Wettbewerb rauchen momentan die Köpfe. Die siebenköpfige Jury hat sich diese Woche zu zwei intensiven Arbeitssitzungen getroffen.
Dort wurden die eingereichten Beiträge in den Genres Drama, Prosa und Gedicht überprüft, diskutiert, ausgewertet und eingereiht in die Bewertungs-Skala. Was kommt in die Anthologie, die zum Finale herausgegeben wird? Was gehört unter die Top-Drei und ist preiswürdig? "Und was muss aussortiert werden, auch das gehört leider dazu", berichtet Hans-Jürgen van der Gieth. Der 56-Jährige ist zusammen mit seiner Frau Hildegard Chef des Buch Verlag Kempen (BVK), der mit der Stadt zu dieser Premiere aufgerufen hat.
Sätze wie der anfangs geschilderte "Ich ziehe zurück." sind nicht selten in der Jury-Sitzung. Niemand spielt sich als Reich-Ranicki auf oder beharrt auf seinem Maßstab, jeder hört aufmerksam zu, wie der jeweilige Text auf andere gewirkt hat. "Das habe ich als sehr angenehm empfunden", sagt Kempens Kulturamtsleiterin Elisabeth Friese, die ebenfalls in der Jury sitzt.
Dabei zeigen sich alle Jury-Mitglieder nach wochenlanger Lektüre überrascht, wie viele gute Ansätze es gibt unter den 250 Einsendungen, die beim BVK an der St. Huberter Straße 67 eingereicht wurden. Ungläubiges Staunen in der Runde etwa bei einer traurigen, bewegenden Erzählung, dass diese aus der Feder einer erst 14-jährigen Liebfrauenschülerin aus Kaldenkirchen stammt.
Natürlich wird auch um Texte gerungen. Der eine verteidigt den emotionalen Anstrich und drückt in Sachen Grammatik und Logik ein Auge zu. Einem anderen fallen Ungereimtheiten auf, dritte wiederum legen Wert auf Phantasie und Dynamik. Und es kristallisieren sich sogar geschlechtsspezifische Unterschiede heraus: "Frauen lesen offenbar doch anders als Männer . . .", wirft jemand zu später Stunde und nach fünf Kannen Kaffee in die Runde.
Ein bunter Themenstrauß wird literarisch verarbeitet: Angefangen von persönlichen Erlebnissen über Episoden, Gesellschaftskritisches bis hin zu Schicksalsschlägen, die nach einem Ventil suchen. Bei jüngeren Autoren spürt man zuweilen die Nähe zum Chatroom. Konflikt-Potenziale wie Integration, Liebeskummer oder Magersucht tauchen auf. Aber es kommen auch Abenteuer-Beschreibungen - von Harry Potter bis Mark Twain. "Die Themen gibt der Autor vor, wir befassen uns mit der Umsetzung", erläutert van der Gieth, dass der Phantasie keine Grenzen gesetzt werden.
Die Gruppe hat sich zu Beginn im Juli auf verbindliche Kriterien verständigt, nach denen die jeweiligen Genres zunächst aufgerollt werden. Bei Dramatik sind dies beispielsweise neben Anspruch des Autors, sachliche Richtigkeit und Plausibilität auch formale Merkmale wie Regie-Anweisungen, Dramaturgie oder das Zusammenspiel Inhalt-Sprache.
Ob’s eine Neuauflage gibt oder das Pflänzlein Literatur in Kempen künftig kräftiger gegossen wird, das entscheiden die Organisatoren nach dem 13. Oktober. Fest steht: Diese Premiere hat schon jetzt vieles bewegt.
Abschluss: Höhepunkt ist der Samstag, 13. Oktober, ab 19.30 Uhr, Rokokosaal, Burgstraße 19.
Bewertung: An diesem Abend werden die Preise verliehen und dieLaudatios gehalten. Als Trophäen fertigt die Kempener GlaskünstlerinKlaudia Hummen Pokale. Der Buch Verlag stellt Urkunden aus.
Buch: Die besten Texte aller Gattungen werden vom Buch VerlagKempen in einem Sammelband veröffentlicht, der ebenfalls am 13. Oktoberbereits vorliegen soll.
Besucher: Wer am 13. Oktober im Rokokosaal dabei sein will, sollte sich vorher beim Kulturamt anmelden, Tel. 02152/917264.
Geschlecht: Unter 250 Beiträgen sind drei Viertel von Frauen.
Alter: Die Teilnehmer sind zwischen neun und 81 Jahren. Zwei Dutzend der 200 Teilnehmer sind jünger als 18 Jahre.
Herkunft: Ein Drittel der Bewerbungen kommen aus Kempen undUmgebung wie Willich, Tönisvorst, Nettetal. Aber es gibt auch einigeaus Bayern und dem deutschsprachigen Ausland - und sogar ein Gedichteiner 14-jährigen Russin. Die Teilnehmer sind überwiegend Laien, aberauch einige Profis.
Gattung: Zwei Drittel entschieden sich für Prosa. Bei Dramagab es lediglich sechs Beiträge. Einige reichten sowohl Prosa-Texte alsauch Gedichte eine.