Neuss: Finanzkrise wird durchschlagen
Risikoreiche Finanzgeschäfte gab es nicht. Indirekte Folgen der Krise werden erwartet.
Neuss/München. Island fast bankrott, Börsencrash in Tokio, die deutschen Autobauer drosseln die Produktion, Großbritannien bereitet die Halbverstaatlichung von acht großen Banken vor: Nur einige neue Meldungen aus der Finanzwelt. Auf der Expo Real war die Finanzmarktkrise bestimmendes Thema. Auch wenn größtenteils beruhigt wurde: Die Sorgen und Befürchtungen klangen durch.
"Wir sind nicht betroffen - zumindest nicht direkt." Frank Gensler, Kämmerer und damit Herr der Finanzen im Rathaus, sieht die Gesamtlage kritisch, erkennt aber keine unmittelbaren Auswirkungen der Finanzmarktkrise auf den Neusser Haushalt. Geschäfte mit der wankenden Hypo Real Estate, der insolventen Lehman Brothers oder anderen strauchelnden Investmentbanken hat die Stadt nicht getätigt.
Und auch von den mittlerweile berüchtigten Cross-Boarder-Geschäften hat Neuss die Finger gelassen: Viele Kommunen hatten in den 80er Jahren Steuervorteile in den USA genutzt und Einrichtungen wie Entwässerung oder Müllabfuhr verkauft und zurückgeleast. Versichert wurden diese Risikogeschäfte über die AIG.
Der städtische Haushalt sei zudem nicht besonders zinsempfindlich, so der Kämmerer. Anders als etwa das hoch verschuldete Essen, das allein für Kassenkredite pro Woche eine Million Euro Zinszahlungen leisten müsse und von steigenden Zinsen besonders getroffen würde, zahle Neuss nicht mehr als maximal 5 Millionen Zinsen im Jahr.
Reiner Zweckoptimismus aber liegt Frank Gensler nicht. "Die Krise wird an der Realwirtschaft nicht vorbeigehen." Sich verteuernde Kredite, Zurückhaltung bei Investitionen: "Das schlägt durch. Und da sorge ich mich natürlich um die Gewerbesteuer." Immerhin die größte Einnahmequelle der Stadt mit derzeit 121 Millionen Euro.
Als überschattet von der Krise hat Frank Lubig, Vorstand des Neusser Bauvereins, die Tage auf der Expo Real erlebt. Bauträger, Entwickler, Finanzdienstleister: An den Ständen beherrschte das Thema die Gespräche. Was den Einfluss der dramatischen Entwicklungen auf den Bauverein angeht, beruhigt Lubig alllerdings.
Das Kerngeschäft der städtischen Tochter Bauvereins mit ihren 7000 Wohnungen in der Stadt sei außerordentlich konservativ finanziert. Man habe vor einiger Zeit die Gunst der Stunde niedriger Zinsen genutzt und diese Zinsen auf bis zu 15 Jahre festgeschrieben. "Unsere Mieter müssen sich nicht sorgen", so Lubig.
Doch auf zwei anderen Sektoren sieht der Bauverein-Chef durchaus negative Entwicklungen. Im Neubaugeschäft kämen nun zu den ohnehin seit etwa zwei Jahren steigenden Baukosten teurere Kredite hinzu. Und auch im Bauträgergeschäft ("das brauchen wir") werde es schwieriger.
Gerade im preiswerteren Segment von Wohnungseigentum hielten sich Interessenten, meist junge Familien, zurück. "Jetzt kommt die Angst. Da gibt es wirklich eine tiefe Verunsicherung." Da will der Bauverein mit einem neuen Modell aktiv werden: Mit einem Generalunternehmer wird derzeit ein preisgünstiges "Bauverein-Haus" entwickelt. Bezahlbares Eigentum will Frank Lubig jedenfalls weiterhin zur Verfügung stellen können. Auch wenn es schwieriger wird.